Temporäre Leseproben

Temporäre Leseprobe aus dem Fernwehschmöker

»On the Road - Ein Jahr mit Wohnmobil und Hund durch Nordamerika«

Auszug aus dem Kapitel: Durchs Land der Pueblo-Indianer

Der Acoma Pueblo, New Mexico

»Land der Verzauberung« nennt sich New Mexico, der Staat mit den vielen Tafelbergen. Wir biegen von der I40, die an Gallup vorbei nach Albuquerque führt, ab, und nehmen die Straße zum Acoma Pueblo unter die Räder. Die tief stehende Sonne taucht die skurrile Felslandschaft in ein warmes Licht, lässt die knolligen Felstürme wie verzaubert rotgold glühen. Ob es dieser Anblick war, der zur Legende von den sieben goldenen Städten von Cibola führte? Bereits 1539 faselte ein gewisser Marcos de Nica, der auf einer Expedition von den Acoma zwar gehört, ihnen aber nie begegnete, von einer Stadt voll Gold und Silber. Kein Wunder, dass dies die unersättliche Goldgier der Spanier weckte. Den Pueblo zu erobern war allerdings nicht ganz so einfach. Gelegen auf einer Mesa, die gut 120 Meter aus der Steppe ragt, war er relativ einfach zu verteidigen. Man konnte das Dorf nur über eine Treppe betreten. An der Felskante lagen stets Steine in verschiedenen Größen bereit, die auf Angreifer herabgerollt werden konnten, ohne dass sich die Verteidiger zeigen mussten. 

Nach mehreren Scharmützeln wurde der Acoma Pueblo im Januar 1599 nach einem dreitägigen Kampf von den Spaniern erobert. 800 von schätzungsweise 6000 Acomas verloren dabei ihr Leben. Aus Rache, weil bei vorangegangenen Kämpfen auch einige Spanier getötet worden waren, wurde allen männlichen Acomas über 25 Jahren ein Fuß abgehackt. Außerdem mussten sie 20 Jahre lang bei den Spaniern »Dienst leisten«. Auch alle männlichen Einwohner zwischen 12 und 25 Jahren wurden zum Dienst gezwungen, ebenso die Mädchen und Frauen die älter als 12 Jahre waren. 

Die Mönche und Missionare, die den Konquistadoren stets im Schlepptau folgten, »bekehrten« natürlich auch die Acoma, errichteten auf einer Kiva eine Kirche und verboten die Ausübung ihrer »heidnischen Rituale«. 1680 beteiligten sich die Acoma am großen Pueblo Aufstand.

 Heute nennt sich der Acoma Pueblo stolz »Sky City«, und genau wie die Hopis in Old Oraibi behaupten die Acoma, dass er seit Mitte des 12. Jahrhunderts dauerhaft besiedelt und damit die älteste Ansiedlung Nordamerikas wäre. Ganz unbestritten liegt Sky City dramatisch auf einer Mesa, eingerahmt von bizarren, farbigen Felsformationen. Diese fotogene Lage verhalf den Acoma zu einer glatten, bequemen Teerstraße zum Pueblo hinauf, die von einer Filmgesellschaft bezahlt wurde. Bereits zu Stummfilmtagen wurde hier gedreht, und natürlich benützte auch der legendäre John Ford, die Gegend als Naturkulisse. 

Wer heute den Acoma besichtigen will, muss nicht über Treppen hinaufsteigen. Er wird bequem mit einem Tourbus hinaufgekarrt, denn der Pueblo darf nur mit einem Führer besichtigt werden. Vorher muss allerdings kräftig Eintritt berappt und außerdem für ein Foto-Permit gelöhnt werden. Man kann es ihnen nicht verdenken - die Acoma haben vom weißen Mann gelernt. Lebten sie vor noch nicht allzu langer Zeit am Existenzminimum, spielen heute Ackerbau auf kargem, trockenem Boden und der Verkauf von Schmuck und Töpfereien nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Tourismus, und vor allem das Kasino, das der Stamm unweit der Interstate betreibt, sind wesentlich einträglicher. 

Der alte Pueblo mit seinen mehrstöckigen Lehmziegelhäusern, zu deren oberen Stockwerken weiße Leitern hinaufführen, ist jedoch ungemein sehenswert und bestens in Schuss gehalten - auch wenn er nur noch von wenigen Acoma bewohnt wird. Auf dem Tafelberg gibt es kein fließendes Wasser, keine Brunnen, sondern nur Zisternen. Statt einer Kanalisation stehen bunte Dixie-Klohäuschen vor der Kirche, Strom liefern ein paar Generatoren. Die Jungen sind längst nach unten in bequemere Häuser gezogen. Unser aufwändig mit Türkisen geschmückter Führer erzählt mit viel Pathos die Geschichte des Pueblos - berichtet von den Gräueln und Zwangsbekehrungen, und die weißen amerikanischen Touristen müssen nicht mal ein schlechtes Gewissen haben. Sie haben zwar so manchen Stamm fast ausgerottet, aber das mit den Zwangsbekehrungen waren die Spanier. Die meisten Touristen sind ohnehin Deutsche. Wir Deutschen haben ja bekanntermaßen auch so allerhand auf dem Kerbholz - aber hier sind wir unschuldig und dürfen uns ehrlich entrüsten. Ja, und weil es schon reichlich spät ist, übernachten wir praktischerweise gleich unten am Kasino. 

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