Leseprobe:
Vicksburg, Mississippi
Um in die jüngere, bestens dokumentierte Geschichte einzutauchen, müssen wir den Parkway verlassen, denn unser Reiseführer schreibt, dass der Vicksburg National Military Park ein absolutes Muss wäre. Okay, setzen wir den Blinker, und nehmen die 17 Meilen lange Einbahnstraße durch diesen Bürgerkriegsnationalpark unter die Räder, der vor rund 150 Jahren Schauplatz blutiger Gemetzel war.
Dort, wo sich heute Jogger, Walker und Rennradfahrer trimmen, schlugen sich damals Unionstruppen und Konföderierte gegenseitig die Köpfe ein, bzw. schossen sie sich mit Kanonen und schweren Geschützen weg. Vom 19. Mai bis zum 4. Juli 1863 belagerten Unionstruppen die über einer Schleife des Mississippi gelegene, strategisch wichtige Stadt Vicksburg, die sich schließlich ergab.
Obwohl der Krieg noch 2 Jahre andauerte, war der Fall der Stadt kriegsentscheidend, denn mit ihr verloren die Konföderierten ihren vorletzten Stützpunkt am Mississippi.
Noch heute sind Schutzwälle und Gräben zu sehen, stehen Kanonen in Reih’ und Glied auf sattgrünem Rasen, und entlang des Rundkurses durch weitläufige, gepflegte Grünanlagen blicken in Stein gemeißelte oder in Bronze gegossene Generäle der diversen Einheiten auf die einstigen Stätten ihrer Heldentaten herab. Das gemeine Kanonenfutter wurde auf dem schlichten, nationalen Friedhof begraben (17000 Mann fielen alleine von den Unionssoldaten), während bombastische Tempelchen von der Glorie des gegenseitigen Abschlachtens künden.
Sorry, da ging mein Sarkasmus mit mir durch – vielleicht sollen es doch nur Mahnmale sein, die der Mensch nach erfolgtem Kriegswüten so gerne aufstellt, und aus denen er nichts, aber auch gar nichts zu lernen bereit ist. Im Gedenken an die Niederlage am 4. Juli 1863 weigerten sich übrigens die Einwohner von Vicksburg bis kurz nach dem 2. Weltkrieg, den amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli zu feiern.
Vordergründig ging es im Sezessionskrieg ja darum, die schwarzen Sklaven zu befreien, auf deren Ausbeutung der Reichtum des Südens fußte. Die Probleme, die dieses unmenschliche Wirtschaftssystem nach sich zog, sind in den USA, besonders in den Südstaaten, bis heute noch nicht überwunden.
Als wir am Abend den Park an einem anderen Ausgang verlassen, verfranzen wir uns gehörig, weil die Straße, die wir eigentlich nehmen wollten, gerade geteert wird. Die Außenbezirke von Vicksburg sind hügelig, enge, steile Straßen münden in Sackgassen und immer wieder müssen wir wenden, weil es nicht mehr weitergeht. Wieder ein enges Sträßchen, noch eine Kurve, weiß der Teufel was uns nach der nächsten dort oben am Hügel erwartet. Wir halten, wollen wenden, da kommt hinter uns ein Pick-up. Den Fahrer werde ich fragen. Der Fahrer ist ein Afroamerikaner. Er macht keine Anstalten, zu halten oder das Fenster herunterzukurbeln, als ich zu Fuß neben ihm stehe und sichtbar etwas fragen möchte. Erst als er beim Weiterfahren unser deutsches Kennzeichen am Wohnmobil sieht, hält er. Man könne dort getrost weiterfahren, meint er, kommt aber selbst nach kurzer Zeit zurück. Auch dort oben ist die Straße geschlossen. Wir wenden, kehren um, nehmen ein anderes Sträßchen und landen schließlich irgendwann am Wal-Mart, wo wir für diese Nacht Quartier beziehen.
Über diesen Vorfall haben wir des Öfteren nachgegrübelt. »Vermutlich war er mal ein in Deutschland stationierter GI«, vermuten wir, denn nur sie kennen deutsche Kfz-Kennzeichen. Wann immer wir auf unseren USA-Reisen mit ehemals in Deutschland stationierten Soldaten ins Gespräch kamen, schwärmten diese in den höchsten Tönen von Deutschland und seinen Bewohnern. Was mich oftmals wunderte, denn als gebürtige Erlangerin weiß ich nur zu gut, dass sie beileibe nicht immer willkommen waren und auch so manches Problem verursachten. Aber nach unserer Rückkehr sehen wir im Fernsehen eine Dokumentation über ehemals in Deutschland stationierte schwarze US-Soldaten, in der auch General Powell zu Wort kam, der vor Jahren ebenfalls in Deutschland stationiert war. In den USA wurde erst 1964 per Gesetz die Rassentrennung abgeschafft, während die schwarzen Soldaten in Deutschland unbehelligt neben Weißen im Bus sitzen konnten, ungehindert dieselben sanitären Einrichtungen benützen durften und wohl ganz allgemein freundlich aufgenommen wurden. Wir erfahren erstaunt, dass die Selbstverständlichkeit mit der man den schwarzen GIs in Deutschland begegnete, der Bewegung um Martin Luther King erst den nötigen Zulauf und Auftrieb brachte.